Jens Peter Koerver

Edition „slow food“, Künstlerhaus München/Pinakothek der Moderne, München

Die beiden Blätter des Malers und Lithographen Reinhold Budde zeigen vertikal verlaufende, ungefähr fingerbreite Streifen, die wie leichte Eintiefungen oder sich vorwölbende Stränge wirken. Diese zart vibrierenden, die Wahrnehmung durch ihre visuelle Instabilität irritierenden Reliefs entstehen durch minimale, aus der Nahsicht unsichtbar werdende Modulationen von Hell nach Dunkel; der Eindruck des Plastischen resultiert aus einer geringeren oder größeren Dichte winziger, in einem Bleistiftgrau gedruckter dunkler Punkte, einer Struktur, die so allein in der Lithographie zu erzielen ist. Unwillkürlich verleitet das Nebeneinander der beiden Blätter zu einer vergleichenden Sehbewegung, sucht das Auge nach Differenzen im Ähnlichen und nimmt mit der Zeit die unterschiedlichen Artikulationen der vertikalen Verläufe wahr, die im einen Blatt schmaler und mit etwas mehr Druck, die im anderen breiter, zugleich luftiger, weniger voneinander abgegrenzt gearbeitet sind. Reinhold Budde zeichnete jede dieser Bahnen mit lithographischer Kreide frei und in einem Zug auf den Stein, was bei diesem Format größte Konzentration und Ruhe erfordert und die kleinen Schwankungen in Verlauf und Dichte der einzelnen Streifen erklärt. Dieser gerade noch erkennbare Duktus läßt zwei in sich bewegte, gleichsam atmende Bilder an der Grenze des Sichtbaren, am Rand des eben noch Unterscheidens entstehen.

REINHOLD BUDDE | TEXTE

ZURÜCK ZU TEXTE