Idyllisch könnte man die Parkanlage des traditionsreichen
Kunstvereins Malkasten in Düsseldorf-Pempelfort nennen.
Hier mischt sich schon seit 1861 das gesellschaftspolitische
Engagement der Künstlerschaft Düsseldorfs mit einer
breiten kunstinteressierten Öffentlichkeit. Schnell ist man
geneigt, dann auch den Park mit seinem historischen Gebäudeensemble,
dem Düsselbach und Venusteich als geeigneten
Rahmen zu lesen für eine humanistisch geprägte
Begegnungsstätte von Künstlern, Philosophen und Bürgern,
in dem Kunst und Natur harmonisch zu verschmelzen
scheinen. Außerordentlich erstaunen mag es daher, im
Osten des Gartens auf eine zweiteilige Zweckbaukonstruktion
mit Flachdach und anschließendem Pergolaanbau
zu stoßen. In dieser entwickeln sich zwei identische Raumfluchten
parallel zueinander; Anlage und Maße legen die
einstige
Nutzung des Gebäudes als Doppelgarage mit
offener Pergola nahe. Seit der Gartenumgestaltung durch
Roland Weber 2009 wird dieses ehemalige Parkhaus als ein
Haus im Park genutzt und als zusätzlicher Ausstellungsort
vom Kunstverein Malkasten bespielt.
Reinhold Budde hat sein künstlerisches Konzept ausgehend
von der Malerei immer weiter in den Raum ausgedehnt
und gleichzeitig seine Kunst immer mehr für eine
spezifische Raumsituation sensibilisiert. Sein Anliegen
gründet nicht mehr nur darin, den Raum mit seiner Kunst zu
besetzen, es geht vielmehr darum, diesen Raum zu transformieren;
kurz gesagt: aus dem vorgefundenen Raumkontinuum
einen
kohärenten
Kunstraum zu schaffen.
Buddes Raumkonzept wurzelt dabei in seinen Überlegungen
zur Wirkung von Farbe im Raum. Entwickelten
seine
monochromen Flächenmalereien im Stil des Minimalismus
zunächst farbliche Akzente auf der Wand, so schlug
er mit seinen „Resonanzräumen“ eine entscheidende Wendung
ein. Farbflächen wurden nicht mehr direkt ausgestellt,
sondern gerieten durch die Reflexion vor der Wand zum
Schwingen. Mit der Idee von irisierenden Farbresonanzräumen
rückte aber auch die Materialität von Farbe zugunsten
ihrer Wirkung in den Hintergrund. Nicht individueller maltechnischer
Duktus, sondern ein auf Wirkung perfektionierter
Farbaufbau wird von Budde angestrebt. Es mag daher
auch nicht verwundern, dass der Künstler in seiner Ausstellung
im Düsseldorfer Malkasten die Wände vollständig
ignoriert und kein einziges Bild aufhängt, sondern direkt
am Raumgefüge ansetzt.
Die beiden Düsseldorfer Raumparzellen werden jeweils
mittels eines stark farbigen Vorhangs durchtrennt. Während
der intensiv rote, sich plastisch im Raum entwickelnde
Vorhang diesen noch symmetrisch in zwei gleichmäßige
Dreiecksformen zu teilen vermag, radikalisiert der zweite
Raumschnitt das gesamte Raumgefüge des Ausstellungskomplexes.
Buddes tief schwarzer Vorhang teilt den Raum
nun eben nicht mehr harmonisch in zwei gleichförmige
Hälften, sondern fokussiert den Übergang, die verbindende
Wandöffnung zwischen den beiden Wandparzellen. Zusätzliche
Betonung erfährt dieser „Transferbereich“ durch
zwei strahlend gelbe Profilleisten, die die neu entstandene
Raumflucht betonen und zwischen beiden Räumen vermitteln.
Die Blickachse des Betrachters manifestiert sich
geradezu in jenen auf dem Boden liegenden Profilleisten,
die vom Dunkel des ersten Raumes in den dahinter liegenden
rot leuchtenden zweiten Raum verweisen. Auch hier
greift Buddes künstlerische Auffassung von Farbe als ein
wirkkräftiges Medium jenseits seiner direkten Materialität;
denn die Farbquelle, d. h. der den Raum teilende rote Vorhang,
ist vom Standpunkt des Betrachters zunächst nicht
sichtbar.
Während Reinhold Buddes vorangegangene Ausstellungen
– genannt seien hier beispielsweise die Präsentation
„To Palermo“ im Gerhard-Marcks-Haus oder seine in der
Bremer GaDeWe ausgeführte Installation „Bühne # Raum“
– die Möglichkeiten, den Betrachter durch Farbe in Bewegung
zu versetzen, geradezu erforschten, unterbindet der
Künstler diesen Zugang in seiner Düsseldorfer Arbeit radikal.
Der gesamte Ausstellungsraum bleibt dem Besucher
verschlossen. Damit ist paradoxer Weise der für Bildhauerei
und Installation maßgebliche Zugang, nämlich die Erschließung
mittels der eigenkörperlichen Erfahrung, ausgeschaltet
und auf ein rein visuelles Erfassen durch verschiedenste
Tür- und Fensteröffnungen reduziert. Reinhold Budde verweist
damit ganz direkt und mit scharfzüngigem Unterton
auf den vom Kunstverein Malkasten dem Ausstellungsraum
programmatisch unterlegten Titel: „Gartenvitrine“. In ihrer
Allusion auf eine gängige museale Präsentationsform, auf
die damit angezeigte Wertigkeit und Schutzraumfunktion,
grenzt die „Gartenvitrine“ zwei Bereiche klar voneinander
ab: hier Kunstraum, da Naturraum. Mehr noch, es wird nicht
nur die Grenze aufgezeigt, indem ein Durchschreiten des
Ausstellungsraums unmöglich gemacht wird, Budde setzt
vielmehr an dieser Stelle mit einem durchdachten System
an, diese Grenze zu reflektieren.
Durch den offenen Charakter der Pergola an der
Längsseite
der „Gartenvitrine“ rückt diese in unmittelbare
räumliche
Nähe zu einer angrenzenden Bebauung
mit Fensterfront. Reinhold Budde verspiegelt die drei in
rhythmisierter Reihung
angelegten Fenster des Nachbargebäudes.
Durch diesen Eingriff außerhalb des eigent13
lichen
Ausstellungsraums
reflektiert sich nun gerade das
in der „Gartenvitrine“ ausgestellte Innere, während der eigentliche
Blick durch die dort angelegten Fenster selbst
verweigert wird. Der Künstler Reinhold Budde inszeniert
mit seiner Arbeit an der „Gartenvitrine“ des Düsseldorfer
Kunstvereins die in der Ausstellungsreihe „Inside/Outside“
angelegte Grenze als ein komplexes Spiel von Blickachsen
und Betrachterstandpunkten. Ermöglicht Budde lediglich
Einblicke von außen ins Innere, so zeigt er gleichzeitig im
Außenraum das Innere
und stellt in genau jenem Zwischenbereich
zwischen Kunst- und Naturraum die Frage nach
dem eigentlichen Betrachterstandpunkt.