Dr. Yvette Deseyve

Reinhold Budde. Parkhaus
Ausstellung im Gartenpavillon im Malkastenpark Düsseldorf, 2015

Idyllisch könnte man die Parkanlage des traditionsreichen Kunstvereins Malkasten in Düsseldorf-Pempelfort nennen. Hier mischt sich schon seit 1861 das gesellschaftspolitische Engagement der Künstlerschaft Düsseldorfs mit einer breiten kunstinteressierten Öffentlichkeit. Schnell ist man geneigt, dann auch den Park mit seinem historischen Gebäudeensemble, dem Düsselbach und Venusteich als geeigneten Rahmen zu lesen für eine humanistisch geprägte Begegnungsstätte von Künstlern, Philosophen und Bürgern, in dem Kunst und Natur harmonisch zu verschmelzen scheinen. Außerordentlich erstaunen mag es daher, im Osten des Gartens auf eine zweiteilige Zweckbaukonstruktion mit Flachdach und anschließendem Pergolaanbau zu stoßen. In dieser entwickeln sich zwei identische Raumfluchten parallel zueinander; Anlage und Maße legen die einstige Nutzung des Gebäudes als Doppelgarage mit offener Pergola nahe. Seit der Gartenumgestaltung durch Roland Weber 2009 wird dieses ehemalige Parkhaus als ein Haus im Park genutzt und als zusätzlicher Ausstellungsort vom Kunstverein Malkasten bespielt.

Reinhold Budde hat sein künstlerisches Konzept ausgehend von der Malerei immer weiter in den Raum ausgedehnt und gleichzeitig seine Kunst immer mehr für eine spezifische Raumsituation sensibilisiert. Sein Anliegen gründet nicht mehr nur darin, den Raum mit seiner Kunst zu besetzen, es geht vielmehr darum, diesen Raum zu transformieren; kurz gesagt: aus dem vorgefundenen Raumkontinuum einen kohärenten Kunstraum zu schaffen. Buddes Raumkonzept wurzelt dabei in seinen Überlegungen zur Wirkung von Farbe im Raum. Entwickelten seine monochromen Flächenmalereien im Stil des Minimalismus zunächst farbliche Akzente auf der Wand, so schlug er mit seinen „Resonanzräumen“ eine entscheidende Wendung ein. Farbflächen wurden nicht mehr direkt ausgestellt, sondern gerieten durch die Reflexion vor der Wand zum Schwingen. Mit der Idee von irisierenden Farbresonanzräumen rückte aber auch die Materialität von Farbe zugunsten ihrer Wirkung in den Hintergrund. Nicht individueller maltechnischer Duktus, sondern ein auf Wirkung perfektionierter Farbaufbau wird von Budde angestrebt. Es mag daher auch nicht verwundern, dass der Künstler in seiner Ausstellung im Düsseldorfer Malkasten die Wände vollständig ignoriert und kein einziges Bild aufhängt, sondern direkt am Raumgefüge ansetzt.

Die beiden Düsseldorfer Raumparzellen werden jeweils mittels eines stark farbigen Vorhangs durchtrennt. Während der intensiv rote, sich plastisch im Raum entwickelnde Vorhang diesen noch symmetrisch in zwei gleichmäßige Dreiecksformen zu teilen vermag, radikalisiert der zweite Raumschnitt das gesamte Raumgefüge des Ausstellungskomplexes. Buddes tief schwarzer Vorhang teilt den Raum nun eben nicht mehr harmonisch in zwei gleichförmige Hälften, sondern fokussiert den Übergang, die verbindende Wandöffnung zwischen den beiden Wandparzellen. Zusätzliche Betonung erfährt dieser „Transferbereich“ durch zwei strahlend gelbe Profilleisten, die die neu entstandene Raumflucht betonen und zwischen beiden Räumen vermitteln. Die Blickachse des Betrachters manifestiert sich geradezu in jenen auf dem Boden liegenden Profilleisten, die vom Dunkel des ersten Raumes in den dahinter liegenden rot leuchtenden zweiten Raum verweisen. Auch hier greift Buddes künstlerische Auffassung von Farbe als ein wirkkräftiges Medium jenseits seiner direkten Materialität; denn die Farbquelle, d. h. der den Raum teilende rote Vorhang, ist vom Standpunkt des Betrachters zunächst nicht sichtbar.

Während Reinhold Buddes vorangegangene Ausstellungen – genannt seien hier beispielsweise die Präsentation „To Palermo“ im Gerhard-Marcks-Haus oder seine in der Bremer GaDeWe ausgeführte Installation „Bühne # Raum“ – die Möglichkeiten, den Betrachter durch Farbe in Bewegung zu versetzen, geradezu erforschten, unterbindet der Künstler diesen Zugang in seiner Düsseldorfer Arbeit radikal. Der gesamte Ausstellungsraum bleibt dem Besucher verschlossen. Damit ist paradoxer Weise der für Bildhauerei und Installation maßgebliche Zugang, nämlich die Erschließung mittels der eigenkörperlichen Erfahrung, ausgeschaltet und auf ein rein visuelles Erfassen durch verschiedenste Tür- und Fensteröffnungen reduziert. Reinhold Budde verweist damit ganz direkt und mit scharfzüngigem Unterton auf den vom Kunstverein Malkasten dem Ausstellungsraum programmatisch unterlegten Titel: „Gartenvitrine“. In ihrer Allusion auf eine gängige museale Präsentationsform, auf die damit angezeigte Wertigkeit und Schutzraumfunktion, grenzt die „Gartenvitrine“ zwei Bereiche klar voneinander ab: hier Kunstraum, da Naturraum. Mehr noch, es wird nicht nur die Grenze aufgezeigt, indem ein Durchschreiten des Ausstellungsraums unmöglich gemacht wird, Budde setzt vielmehr an dieser Stelle mit einem durchdachten System an, diese Grenze zu reflektieren.

Durch den offenen Charakter der Pergola an der Längsseite der „Gartenvitrine“ rückt diese in unmittelbare räumliche Nähe zu einer angrenzenden Bebauung mit Fensterfront. Reinhold Budde verspiegelt die drei in rhythmisierter Reihung angelegten Fenster des Nachbargebäudes. Durch diesen Eingriff außerhalb des eigent13 lichen Ausstellungsraums reflektiert sich nun gerade das in der „Gartenvitrine“ ausgestellte Innere, während der eigentliche Blick durch die dort angelegten Fenster selbst verweigert wird. Der Künstler Reinhold Budde inszeniert mit seiner Arbeit an der „Gartenvitrine“ des Düsseldorfer Kunstvereins die in der Ausstellungsreihe „Inside/Outside“ angelegte Grenze als ein komplexes Spiel von Blickachsen und Betrachterstandpunkten. Ermöglicht Budde lediglich Einblicke von außen ins Innere, so zeigt er gleichzeitig im Außenraum das Innere und stellt in genau jenem Zwischenbereich zwischen Kunst- und Naturraum die Frage nach dem eigentlichen Betrachterstandpunkt.

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REINHOLD BUDDE | TEXTE

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